Bürgersprechstunde unter freiem Himmel
Auf einen Kaffee mit Katja Kipping
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste,
hinter uns liegt ein turbulentes Jahr. Nach einem reinigenden Gewitter haben wir neue Handlungsfähigkeit erlangt. Wir haben Einfluss auf die gesellschaftliche Debatte genommen, haben wichtige Alternativen ins Gespräch gebracht.
Dabei sind wir immer mehr Ideengeberin für die Debatten geworden. Vieles von dem, was heute im Mainstream diskutiert wird – Bankenregulierung, Mindestrenten, Kita-Ausbau, Verbot von Stromsperren, strengere Verfolgung von Steuerflüchtlingen – all das wurde zuerst von uns in die Debatte eingebracht.
Am Ende des nun alten Jahres konnten wir zu recht sagen: DIE LINKE ist wieder zurück.
Das ist unser gemeinsamer Erfolg.
Darauf können wir alle ein bisschen stolz sein.
Und das gibt uns Rückenwind für das neue Jahr.
Normalerweise bietet sich eine Rede zum Auftakt eines Wahljahres an, despektierlich über Spitzenkandidaten anderer Parteien zu sprechen. Und Peer Steinbrück, böte da reichlich Anlass. Ich meine: Warum sollte eine junge Krankenschwester, die für 1600 Euro netto im Monat Schichtdienst leistet, solch einen Westentaschenmacho wählen, der für ihr Monatsgehalt noch nicht mal aufstehen würde?
Aber irgendwie sprechen all die Aussagen und Taten, von Pannen-Peer so sehr für sich und damit gegen die SPD, dass sie auch ohne Kommentierung wirken.
Ich möchte die Zeit also lieber nutzen, zu verdeutlichen, wo die gravierenden Unterschiede zwischen uns und den anderen Parteien und worin unsere eigenständigen Funktionen liegen.
Betrachten wir Schwarz-Gelb:
Schwarz-Gelb macht vor allem das Geschäft der Obersten, der Banken, der Konzerne, der Reichen.
Davon zeugt z.B. der Umgang der schwarz-gelben Landesregierung in Niedersachsen mit den Landeskliniken. Es ist ja schon ein Skandal, wenn Landeskliniken überhaupt privatisiert werden. Aber in Niedersachsen hat Schwarz-Gelb die Landeskliniken nicht nur privatisiert, sondern auch noch gerade mal für 1/3 des eigentlichen Wertes verscherbelt. Rund 250 Millionen Euro hat dies das Land Niedersachsen gekostet.
Hier sieht man deutlich, für wen Schwarz-Gelb da ist. Wirtschaftskonzerne werden großzügig beschenkt. Den Studierenden hingegen wird in Niedersachsen mit Studiengebühren das Geld aus der Tasche gezogen.
Wir jedoch meinen: Studiengebühren gehören abgeschafft – und zwar sofort! Bildung darf nicht zur Ware werden.
Und auch die eine oder andere vermeintliche Fürsorge-Initiative von Schwarz-Gelb im Bund kann nicht darüber nicht hinwegtäuschen, dass Schwarz-Gelb vor allem das Geschäft der Obersten macht. Schauen wir uns einfach mal an, was aus der Renten-Initiative von Frau von der Leyen wurde:
Am Anfang stand der Schutz vor Altersarmut. Daraus wurde die Zuschussrente von 850 Euro – brutto wohlgemerkt. Diese wurde degradiert auf die sogenannte Lebensleistungsrente. Die betrug um die 700 Euro. Und nun wurde auch diese von der CSU gekippt.
Was für ein Trauerspiel. Und wie gut, dass es mit der LINKEN wenigstens eine Partei gibt, die sich für eine Mindestrente einsetzt, die konsequent vor Armut schützt.
Doch zurück zu Schwarz-Gelb: Merkel ist nicht die fürsorgende Landesmutter. Sie betreibt neoliberale Politik pur und vollendet das Werk ihres Vorgängers Schröder, indem sie dessen Agenda 2010 ganz Europa aufnötigt.
Dabei ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese gefährliche Kürzungspolitik als Bumerang nach Deutschland zurückkehrt. Schon jetzt gehen die Aufträge der Industrie zurück.
Die Politik von schwarz-gelb ist unsozial, wirtschaftlich unvernünftig und europapolitisch gefährlich. Insofern braucht es einen Wechsel. Allerdings braucht diese Gesellschaft mehr als einen reinen Farbwechsel.
Wir brauchen einen wirklichen Politikwechsel! Und den wird es nicht einfach so mit Rot-Grün geben. SPD und Grüne verfolgen eine Politik, die nur die Mittelschichten im Blick hat, nur für sie das Privileg der Solidarität erhalten will.
Trotz einiger Kurskorrekturen ist die rot-grüne Politik unsolidarisch gegenüber Ärmeren und Erwerbslosen. Denn:
Und während die SPD die ganz unten einfach ausblendet, entlässt sie die oberen Klassen aus ihrer Solidaritätsverpflichtung. Wenn es um die Besteuerung von Konzernen und Superreichen geht, wird die SPD plötzlich ganz zaghaft.
Nur ein Beispiel: Unter Helmut Kohl betrug der Spitzensteuersatz 53%. Erst kürzlich verkündete der SPD Vorsitzende stolz in einer Talkshow: „Eine Anhebung auf 53% das fordern bei der SPD doch nicht einmal mehr die Jusos.“ Das muss man sich mal vergegenwärtigen, Sigmar Gabriel ist noch stolz darauf, dass selbst die SPD-Linke hinter den Steuersätzen von Kohl zurück bleibt.
Diese Gesellschaft braucht aber eine couragierte Besteuerung von Konzernen und Millionären, um:
Die Mittelschichten können ihren Status nur halten, wenn die oberen Klassen ihren Beitrag leisten. Das kann aber nur durchsetzt werden, wenn sich die mittleren Schichten nicht von denen abgrenzen lassen, denen es nicht so gut geht.
Wir haben doch erlebt, wie Hartz IV und befristete Beschäftigung Druck auf die Einkommen der mittleren Schichten ausüben. Ja, die Angst davor, in das repressive Hartz-IV-System abzurutschen, bringt viele Menschen dazu, schlimme Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne zu ertragen.
Höhere Regelsätze und die Abschaffung der Sanktionen sind also nicht nur Wohltaten für Hartz-IV-Beziehende. Sie stärken auch die Durchschnittsverdienenden.
Deshalb setzen wir auf eine Politik der wirklichen Solidarität. Wir wollen die Perspektiven der mittleren Schichten verbinden mit denen der prekären Beschäftigten sowie den Erwerbslosen.
Diese Politik müssen wir allerdings gegen die oberen Klassen, gegen die Banken und Konzerne durchsetzen.
Das können wir als LINKE natürlich nicht alleine. Dazu braucht es auch die Selbstermächtigung der Vielen, die Gewerkschaften, die Umweltverbände, die sozialen Bewegungen.
Und dafür braucht es eine starke LINKE im Parlament.
[Anrede]
Dazu brauchen wir Projekte, in denen sich Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen wieder finden können. Das möchte ich an einem Beispiel aufzeigen:
Wir sehen, dass sowohl die Beschäftigten als auch die Soloselbständigen wachsendem Stress bei der Arbeit ausgesetzt sind. Stress wird auch durch Demütigungen auf dem Jobcenter hervorrufen. Dass Stress zur Volkskrankheit Nummer eins wird, ist inzwischen weit und breit bekannt. In Lifestylemagazinen findet man immer wieder Ratschläge, wie frau mit Yoga und Lavendel Stress entgegen wirken kann.
Nichts gegen Yoga, aber strukturelle Probleme der Arbeitswelt wie Arbeitsverdichtung oder die Unsicherheit von befristeten Verträgen lassen sich nicht einfach mit einem tiefen Omm wegatmen.
Nichts gegen den Duft von Lavendel, aber das Gefühl auf dem Amt ausgeliefert zu sein, das lässt sich nicht einfach mit Kräutertee runterspülen.
Die LINKE möchte die wirklichen Ursachen vom wachsenden Stress angehen. Deswegen setzen wir uns für ein Antistressprogramm ein.
Arbeitsverkürzung verstehen wir als wichtigen Schritt zur Umverteilung der verschiedenen Tätigkeiten. Männer wie Frauen sollen gleichermaßen Zeit haben für Freunde und Familie, für Erfüllung im Beruf, für politische Einmischung und auch dafür, mal ein gutes Buch zu lesen.
Irgendjemand muss ja schließlich all die vielen klugen Bücher und Publikationen lesen, die wir Linken so verfassen.
Wenn wir von einem wirklichen Wechsel sprechen, so fangen wir mit Selbstverständlichkeiten wie Arbeitszeitverkürzung oder bezahlbaren Strompreisen an.
Aber wir bleiben dabei nicht stehen, sondern – und das ist ein Alleinstellungsmerkmal unserer Partei – verknüpfen diese Nahziele mit Fernzielen.
Das ist auch nötig: Denn:
Letztlich geht es uns um die Aneignung der Verfügungsgewalt auch über das eigene Leben.
Ja uns geht es um das gute Leben. Mit weniger sollten wir uns nicht zufrieden geben.
[Anrede],
achten wir also im neuen Jahr darauf, dass wir uns im alltagspolitischen Hamsterrad nicht komplett verausgaben!
Achten wir darauf, dass wir die weitreichenderen Ziele in den notwendigen Abwehrkämpfen nicht komplett aus dem Auge verlieren!
Um es zusammenzufassen. Es gibt in diesem Land drei strategische Blöcke:
Krankenhäuser retten, statt Spekulanten. Gute Löhne statt Spekulanten. Das sind auch zentrale Slogans unserer Partei in Niedersachsen.
Ich hoffe, Ihr habt den Jahreswechsel genutzt, um Euch etwas zu erholen, denn das neue Jahr startet gleich mit einem Wahlkampfendspurt.
Und ich kann nur alle bitten, alle Energie in der kommenden Woche darauf zu konzentrieren, den Wahlkampfendspurt in Niedersachsen zu unterstützen.
Denn wenn die LINKE wieder in den niedersächsischen Landtag einzieht, dann zieht damit eine politische Partei ein, die
Diese Gesellschaft braucht eine solche Partei!
Ich wünsche Euch allen ein frohes, gesundes und erfolgreiches neue Jahr!