Bürgersprechstunde unter freiem Himmel
Auf einen Kaffee mit Katja Kipping
Ich habe mich mit der Rede von Herrn Gauck beschäftigt und ich halte
seine in wohlklingende Worte gekleidete Definition der künftigen
Aufgaben der Bundeswehr für gefährlich. Wenn Herr Gauck noch dazu davon
spricht, dass sich die Bürgerinnen und Bürger bislang vor einer
Diskussion zu diesem Thema gedrückt haben, lügt er außerdem. Diese
Diskussion führen die Bürgerinnen und Bürger schon lange - und sie sind
mehrheitlich gegen Kriegseinsätze der Bundeswehr. Herr Gauck möchte
lediglich das Diskussionsergebnis ändern und bemüht dazu honorige
Begrifflichkeiten.
Wie stellt sich Herr Gauck die
Prämissen für Auslandseinsätze der Bundeswehr eigentlich vor? Welche
Voraussetzungen sollen gelten, um sie zum Einsatz zu bringen? Will er
sich den Jahresbericht von Amnesty International nehmen und dann in alle
Länder einmarschieren, die dort wegen systematischer
Menschenrechtsverletzungen benannt sind? Das Ergebnis wäre ein atomarer
Weltkrieg.
Herr Gauck packt seine zweifelhaften
Wertemaßstäbe grundsätzlich in Nebensätze oder verkleistert sie mit
beliebig interpretierten Begrifflichkeiten. Als Leim dienen ihm immer
wieder "Menschenrechte" und "Freiheit". Wo genau diese aber vom Westen
militärisch geschützt werden müssen, wird äußerst selektiv von der
Politik festgelegt und von ihm propagiert. Bündnispartner wie die
Türkei, Pakistan oder Saudi-Arabien sind dabei ebenso grundsätzlich
ausgenommen, wie Staaten, die Atomwaffen besitzen - völlig egal, wie sie
es mit den Menschenrechten halten. Und das ist pure Heuchelei.
Ich
zitiere einmal den früheren Bundespräsidenten Johannes Rau, der
ebenfalls eine Rede an der Führungsakademie der Bundeswehr gehalten hat,
im Jahre 2003:
"Lassen Sie mich hier einen Gedanken zu
den Aufgaben der Bundeswehr anfügen: Es kann Situationen geben, in denen
die humanitäre Arbeit ziviler Organisationen militärischen Schutz
braucht. Diese beiden Aufgaben - humanitäre Hilfe und militärische
Sicherung - sollten aber klar voneinander getrennt sein, wo immer das
möglich und sinnvoll ist. Militärische Sicherung kann die Notwendigkeit
der Konfrontation einschließen. Humanitäre Hilfe hingegen muss dem
Grundsatz unbedingter Neutralität verpflichtet sein und bleiben."
Ganz anders nun der Bundespräsidente Joachim Gauck, an gleicher Stelle, am 12.6.2012
"Die
Bundeswehr auf dem Balkan, am Hindukusch und vor dem Horn von Afrika,
im Einsatz gegen Terror und Piraten - wer hätte so etwas vor zwanzig
Jahren für möglich gehalten? Sie, liebe Soldatinnen und Soldaten, werden
heute ausgebildet mit der klaren Perspektive, in solche Einsätze
geschickt zu werden - mit allen Gefahren für Leib, Seele und Leben. Sie
haben einen Anspruch darauf, dass wir uns bewusst machen, was Ihnen
abverlangt wird und welche Aufgaben wir von Ihnen in Zukunft erwarten."
Und
da wird die Richtung klar. Deutschland als Teil des westlichen
Militärbündnisses als Weltgendarm, der immer bereit steht, wenn es
wirtschaftliche oder geostrategische Interessen des Westens - und also
auch Deutschlands - durchzusetzen gilt. Gaucks Vorgänger Horst Köhler
hatte dies unvorsichtiger Weise ausgesprochen, hat dafür die eisige
Verachtung der Regierung zu spüren bekommen - und ist gegangen.
Mit Gauck hat man nun den Idealtyp gefunden, der mit pastoralem Gestus wieder gut machen soll, was Köhler eingerissen hat. Dass er dabei die in der Bevölkerung überwiegende Ablehnung des Krieges als politisches Mittel als "Glückssucht" der Deutschen denunziert, schlägt allerdings dem Fass den Boden aus. Deshalb auch meine deutlichen Worte. Wir werden uns als LINKE niemals auf diese Art und Weise intellektuell vorführen und beleidigen lassen.