"Jobcenterreform" schafft Flickenteppich
DIE LINKE fordert: Die Bundesagentur muss wieder einen sozialpolitischen Auftrag erhalten
Katja Kipping (DIE LINKE):
Frau
Präsidentin! Liebe Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf bringen
wir die Kommunen in eine widersprüchliche Situation. Sie müssen sich
entscheiden: Entweder werden sie Optionskommune, übernehmen also die
Betreuung der Langzeiterwerbslosen in Eigenregie und das Zeiten, in
denen der Bund immer mehr Aufgaben auf die Kommunen abwälzt,
gleichzeitig aber die Steuereinnahmen der Kommunen deutlich sinken ,
oder aber sie entscheiden sich für die Zusammenarbeit mit der real
existierenden Bundesagentur, die wahrlich nicht in bestem Zustand ist.
(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das war im real existierenden Sozialismus auch so! Paul Lehrieder (CDU/CSU): Unterschätzen Sie unsere Kommunen nicht!)
Vor solch eine Alternative gestellt, haben die Kommunen eigentlich keine richtige Wahl.
(Beifall bei der LINKEN)
So,
wie die Bundesagentur nach den Hartz-Reformen aufgestellt ist, die die
meisten der hier vertretenen Parteien zu verantworten haben, ist es,
wie ich finde, sogar zutiefst verständlich, dass sich manche Kommune
dafür entscheidet, Optionskommune zu werden. Infolge der
Hartz-IV-Reform ist die Bundesagentur nämlich vor allen Dingen
betriebswirtschaftlich ausgerichtet worden. Das heißt, jeder, der eine
Dienststelle der BA betritt, wird als Kunde in Kategorien eingeteilt,
in seinen Rechten durch Sanktionen beschnitten, und die Mitarbeiter der
BA sind einer ständigen Evaluation unterworfen, stehen also unter
Vergleichsdruck. Und wehe, sie sparen nicht genauso viel durch
Sanktionen ein wie das Nachbarjobcenter! All das ist Ausdruck für eine
betriebswirtschaftliche Ausrichtung.
Wir Linke meinen jedoch: Die
Bundesagentur muss wieder einen sozialpolitischen Auftrag erhalten. Für
uns ist deswegen ganz klar: Es darf nicht mehr um Evaluationskerngrößen
gehen, sondern darum, dass jeder, der eine Erwerbsarbeit sucht, dabei
auch bestmöglich unterstützt wird. Das heißt, dass wir sicherstellen
müssen, dass für jeden das Grundrecht auf ein Existenzminimum gesichert
wird, wie es uns ja auch das Bundesverfassungsgericht ins Stammbuch
geschrieben hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Anders als die
Kommunen könnten wir als Gesetzgeber sehr wohl die Ausrichtung der
Bundesagentur verändern. Ich glaube, wenn Sie unsere Vorschläge
aufgreifen würden, würde es vielen Kommunen leichter fallen, sich für
die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur zu entscheiden. Das ändert nun
nichts an der grundsätzlichen strukturellen Entscheidung, der wir uns
heute stellen müssen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch
einmal auf die Begleitforschung zurückkommen, die im Auftrag der
Bundesregierung jahrelang durchgeführt worden ist. Durch sie kam schon
sehr Kritisches zur realen Praxis der Optionskommunen zum Vorschein. Im
Abschlussbericht findet sich zum Beispiel eine entscheidende Zahl. Da
heißt es, wenn man sich deutschlandweit für eine Strukturform, zum
Beispiel für die Arge-Struktur entschiede, dann wären Einsparungen von
bis zu 3,3 Milliarden Euro möglich. Das ist ein Einsparpotenzial, das
Sie sich entgehen lassen, weil Sie sich für das Modell „Flickenteppich“
entscheiden. Ich finde, das ist eine falsche Entscheidung.
(Beifall bei der LINKEN)
In
den Anhörungen im Ausschuss wurden sehr viele detaillierte Kritikpunkte
angesprochen. Ich kann aus Zeitgründen leider nur zwei kurz erwähnen:
Erster
Kritikpunkt. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht keine
Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor.
Das heißt, es gibt für sie weiterhin eine unsichere Arbeitssituation.
Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass das keine Auswirkungen auf die
Beratungsqualität hat. Die Unsicherheit für die Beschäftigten wird die
Beratungsqualität natürlich deutlich verschlechtern. Ich finde, hier
hätten Sie nachbessern müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweiter Kritikpunkt: die vorgesehenen öffentlichen Beiräte. Ich finde es sehr ärgerlich, dass in diesen Beiräten die Vertretung von Betroffenen nicht vorgesehen ist. Auf die Expertise des Alltags und auf die Erfahrungen von Menschen, die Hartz IV am eigenen Leib erfahren, können wir nicht verzichten.
(Beifall bei der LINKEN)
Um es
zusammenzufassen. Die heutigen Reformen, die die Mehrheit hier
beschließen wird, gehen am eigentlich Notwendigen vorbei. Wir als Linke
finden, Folgendes tut in der Auseinandersetzung mit der
Erwerbslosigkeit not: erstens einen Mindestlohn einzuführen, zweitens
Sanktionen und Bedarfsgemeinschaften abzuschaffen und drittens den
Regelsatz deutlich zu erhöhen. Ferner brauchen wir mehr öffentliche
Beschäftigung und eine Umverteilung der vorhandenen Erwerbsarbeit durch
konsequente Arbeitszeitverkürzung.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)